"Inklusion für uns ein wichtiges Thema"
MÜLLHEIM (mps). Wie steht es um die Inklusion? Wie können psychisch kranke Menschen beruflich integriert werden? Das waren zwei von mehreren Fragen, auf die Mitarbeiter der REHA-Werkstatt interessante Antworten gaben. Der Besuch bildete den Abschluss der Sommertour von Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich und den Vertretern des Gemeinderates.
Politisch wird die Integration von psychisch Kranken und Menschen mit Behinderung schon lange gefordert. Erst mit der Festschreibung der Inklusion durch die Vereinten Nationen und die Umsetzung kam Bewegung. Tatsächlich gibt es längst Einrichtungen, die die Idee von der Inklusion leben. Eine von ihnen ist die REHA-Werkstatt, die 1979 in Freiburg gegründet wurde. Das zentrale Konzept: Psychisch kranke Menschen in kleinen überschaubaren Gruppen sowohl eine Wohnmöglichkeit zu geben und darüber hinaus in die Arbeitswelt zu integrieren. Einer der Initiatoren und heutige Vorsitzender der als Verein organisierten Einrichtung ist der Psychologe Norbert Klein-Alstedde. Das Konzept sei, so Klein-Alstedde, auf die Belange der betreuten Menschen ausgerichtet. Entsprechend werden die Personen als Mitarbeiter geführt und eingesetzt, sie erhalten bei vielen Entscheidungen beispielsweise über Arbeitsgruppen oder Mitarbeitertreffen ein Mitspracherecht. "Das erhöht für die Menschen die Transparenz und fördert auch das Selbstwertgefühl", erklärt der Psychologe. Und es geht um eine Restrukturierung des täglichen Lebens der Einzelnen, das die Sinnhaftigkeit und auch die individuelle Belastung fördern soll.
Ganz bewusst habe man sich für kleine Wohneinrichtungen und Arbeitsgruppen entschieden. Dagegen stehe eine Belegungspolitik, die junge psychisch kranke Erwachsene ohne Pflegebedarf in großen Einrichtungen, psychiatrischen Pflegeheimen unterbringt, wo die Menschen eher hospitalisiert als individuell gefördert und in den Alltag der Außenwelt integriert würden, kritisierte Klein-Alstedde. Schnell lernten die als Mitarbeiter geführten Menschen, dass in den Werkstätten praktisch keine Unterschiede zwischen Kranken und Gesunden gemacht werden. Als ein Musterbeispiel bezeichnete der Psychologe und Vorsitzende die R'elan-Schreinerei in Emmendingen, wo gesunde und kranke Mitarbeiter an Projekten beispielsweise für den Europa-Park Rust gemeinsam arbeiten. "Die Auftraggeber sind erstaunt, weil sie nicht zwischen gesundem und krankem Mitarbeiter unterscheiden können", lobt Norbert Klein-Alstedde die ausgezeichnete Integration. Untermauert wird diese Aussage durch ein Videointerview mit einem Vertreter des Europa-Parks.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgen die vier REHA-Werkstätten in Freiburg, Emmendingen, Kirchzarten und Müllheim. "Hier gibt es nur Lohn für geleistete Arbeit", erklärt der Psychologe. Am neuen Standort der Müllheimer Werkstatt in der Haltinger Straße sind heute 29 Mitarbeiter beschäftigt, die Montagearbeiten für große Firmen wie Johnson Controls, Neoperl, Pearl und Hekatron ausführen. Die Qualität der Arbeit muss anscheinend ausgezeichnet sein - nicht umsonst konnte der Einrichtungschef von vollen Auftragsbüchern berichten. Die meisten stammen aus Müllheim und der Umgebung. "Kurze Wege von der Wohnung zur Arbeit ist ein weiteres Ziel", erklärt Klein-Alstedde. Das Beschäftigungsangebot reicht vom Zuverdienst bis hin zum rentenversicherten Arbeitsverhältnis, das eine staatliche Grundsicherung überflüssig mache. Die Beschäftigung richtet sich nach dem persönlichen Profil des Einzelnen.
Die Arbeit der Einrichtungen wie der REHA-Werkstatt scheinen immer wichtiger zu werden: Norbert Klein-Alstedde nimmt einen Trend zur Häufung von psychischen Erkrankungen wahr. Hier spielten der Burn Out und Depressionen eine gewichtige Rolle. Gründe für diese Entwicklung sieht der Psychologe in den steigenden Anforderungen an die Arbeitsleistung, das erhöhte Tempo im Arbeitsprozess.
"Für uns als Kommune ist das Thema Inklusion ein immer wichtiger werdendes Thema", stellte am Ende des Besuchs Bürgermeisterin Siemes-Knoblich fest.
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