A  A+  A++
REHA-Verein Freiburg  |  Berliner Allee 11a  |  79110 Freiburg  |  Telefon 0761/ 38 65-0  |  Telefax 0761/ 38 65-100

Chronik

 berichtet am 4. Mai 2006

Bau-Union kündigt langjährige Mietverträge mit sozialen Gruppen

Werner Strobel (Name geändert) lässt keinen Zweifel daran: "Das hier ist für mich zur Heimat geworden." Seit zwölf Jahren wohnt er mit drei anderen in der therapeutischen Wohngruppe des Wohnheims Vogelsang, das die Wohnung in der Rheinstraße 13 seit 1992 gemietet hat. Eine ehemalige "Franzosenwohnung" , die die Stadt Freiburg 1995 zusammen mit 593 anderen vom Bund kaufte, wieder verkaufte. Generalmieter aber blieb bis Ende 2005 die städtische Tochter Stadtbau. Jetzt hat die Sauer Immobilien GmbH als neuer Verwalter den Mietvertrag zum 30. September 2006 gekündigt.

Dabei hatte die Freiburger Stadtbau noch im vergangenen Dezember versichert: "Ihr Mietvertrag bleibt davon unberührt". Nämlich vom Ende des Generalmietvertrags zwischen ihr und der Südwestdeutschen Bau Union GmbH Co KG als neuer Wohnungseigentümerin. Sie beauftragte mittlerweile Sauer Immobilien, die bestehenden Mietverhältnisse zu kündigen. Was dann auch prompt geschah. Nachdem, sagt Peter Martschuk, der Geschäftsführer des Trägervereins Therapeutisches Wohnen, dieser ein Kaufangebot (353 000 Euro für 180 Quadratmeter) abgelehnt hatte.

Dasselbe Quartier (Institutsviertel), derselbe Eigentümer, derselbe Verwalter: Hier hat die Carl-Theodor-Welcker-Stiftung drei ehemalige "Franzosenwohnungen" zur Begleitung von sechs seelisch kranken Strafentlassenen gemietet. "Eine ist schon gekündigt", erklärt Beate Merkt, die befürchtet, dass auch die anderen gekündigt werden. "Und dann kommen wir mit unseren Leuten nirgendwo mehr unter." Was das heißt, deutet Norbert Ratzel, ebenfalls Mitarbeiter der Welcker-Stiftung zunächst nur an: "Wenn die Männer von uns betreut werden, hat man's im Griff, wenn nicht, dann hat die Stadt ein Problem." Oder deutlicher: "Wenn unsere Leute erfahren, dass sie daraus müssen, gibt es fürchterliche Ausbrüche."

Dasselbe Quartier, ein anderer Besitzer. "Wir haben gerade die Kündigungen für zwanzig psychisch Kranke bekommen", schildert Norbert Klein-Alstedde, Geschäftsführer des Reha-Vereins, der unter anderem an der Katharinenstraße frühere "Franzosenwohnungen" gemietet hat. "Obwohl uns der Verwalter noch vor einem Monat versichert hat: Ihr könnt da wohnen bleiben." Schutzlos seien die Menschen "dieser Brutalität ausgesetzt, mit der das durchgezogen wird", klagt der Geschäftsführer. Der auch auf die Stadtbau und damit die Stadt Freiburg sauer ist: Die habe schlichtweg versäumt, die Möglichkeit wahrzunehmen, die Wohnungen - wie vertraglich vorgesehen - auch nach Ende 2005 noch einmal zweimal fünf Jahre zu verwalten.

Ein ganz anderes Stadtviertel, derselbe Eigentümer (Bau Union), derselbe Verwalter (Sauer), dieselben Kündigungen: In der Bayernstraße 1-3 hat die Stadt Freiburg Wohnungen gemietet für Menschen, die anderweitig nicht unterzubringen sind. Sämtliche 15 seit Januar 1992 bestehenden Einzelmietverträge mit der Stadt Freiburg wurden jetzt ebenfalls auf Ende September gekündigt. (Mit der Absicht, wie zu hören ist, in dieser exklusiven Wohnlage in der Wiehre die Wohnungen zu Eigentumswohnungen zu machen.) Doch: "Wir akzeptieren diese Kündigung nicht", sagt Bürgermeister Ulrich von Kirchbach, der es gerade gut findet, dass es auch in der Wiehre solche Unterkünfte gibt. In ihrer Antwort an die Bau Union macht die Stadt Freiburg jedenfalls erstens klar: "Die Stadt geht von einer Fortsetzung des Wohnraummietverhältnisses aus." Und zweitens bestehe in Freiburg angesichts eines erweiterten Kündigungsschutzes bei umgewandelten Wohnungen eine Sperrfrist von zehn Jahren.

Die Stadt Freiburg will es nun auf einen Rechtsstreit ankommen lassen, das Haus Vogelsang und die Welcker-Stiftung ebenfalls. Erst recht vor dem Hintergrund der Pläne des Oberbürgermeisters Dieter Salomon, die gut 9000 Stadtbau-Wohnungen zu verkaufen. Denn für Christoph Wagenbrenner vom Bezirksverein für soziale Rechtspflege (der Strafentlassene betreut) stellt sich da die grundsätzliche Frage: "Wie geht es weiter, wenn die Stadt selbst ihre Wohnungen verkauft?" Für Elisabeth Noeske, Leiterin des Hause Landwasser, einer Übergangseinrichtung für seelisch kranke Menschen, liegt die Antwort auf der Hand: "Es wird zunehmend schwierig, die Leute aus Einrichtungen in Wohnungen zu entlassen." Schließlich sei die Stadtbau (die frühere Siedlungsgesellschaft) vor allem "wegen des Bedarfs an bezahlbarem Wohnungen gegründet worden". Oder wie es Christoph Wagenbrenner, auch mit Blick auf Alleinerziehende und kinderreiche Familien, ausdrückt: "Die Leute gibt's - und man kann sie nicht in den Wald setzen und einen Zaun drum ziehen." Nach mehrmaliger Nachfrage der BZ verwies der Geschäftsführer von Sauer Immobilien, Michael Hochwelker, an Uwe Kleiner, den Chef der Bau Union, der aber gestern nicht mehr erreichbar war.
Gerhard M. Kirk

Zurück zur Chronik