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Chronik

 berichtet am 23. März 1985

Grenzen der Therapie
Seit 1981 Hilfe im Einzelfall

Zur Forderung, die Stadt solle mit mehr Zuschüssen die Schaffung neuer Arbeitsplätze für psychisch kranke Menschen fördern, nimmt der Leiter des Freiburger Sozial- und Jugendamtes Stellung.

Die Aussagen der Herren Klein-Alstedde und Kiefer können beim Leser den Eindruck erwecken, die Stadt als Sozialhilfeträger würde einen eindeutig falschen Weg bei der beruflichen Rehabilitation von psychisch Kranken gehen. Die Arbeitslosigkeit ist ein allgemeines, gesellschaftliches Problem. Dieses mit strukturellen Ma?nahmen anzugehen, ist Aufgabe der Arbeitsverwaltung. Die Sozialhilfe kann dagegen nur im Einzelfall Hilfen zur Aufnahme einer Arbeit geben. Mit dieser Hilfe hat die Stadt Freiburg in ihrer Eigenschaft als Sozialhilfeträger als erste Stadt in der Bundesrepublik bereits 1981 begonnen. Bis heute wurde 266 Hilfe zum Lebensunterhalt beziehende Personen die Aufnahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses ermöglicht. Unter diesen befanden sich 73 psychisch Kranke, die in der Betreuung des Sozial- und Jugendamtes standen.
Solche voll zu Lasten der Stadt gehenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Sozialhilferecht können für die hilfsbedürftigen Personen nicht auf Dauer gestaltet werden. Immerhin gelang jedoch, seit Aufnahme dieser Hilfsmaßnahme 33 der insgesamt Vermittelnden im Anschluss an das befristete Arbeitsverhältnis in ein Dauerarbeitsverhältnis zu überführen. Soweit eine solche Möglichkeit nicht bestand, erhalten die Betroffenen nach Ablauf der befristeten Arbeitsverhältnisse wirtschaftliche Hilfe vom Arbeitsamt, das ebenfalls den gesetzlichen Auftrag zur beruflichen Rehabilitation der Behinderten hat.
Im Bezugsartikel wurden die psychisch Kranken nicht angesprochen, bei denen der Weg der beruflichen Rehabilitation erst über eine beschützende Werkstätte möglich ist. Hier hat der Caritasverband - Ortsverband Freiburg e.V. - in Zusammenarbeit mit der Stadt als Sozialplanungsträger und dem Landeswohlfahrtsverband Baden im Oktober 1984 eine nach modernen Erkenntnissen ausgestattete Werkstätte für psychisch Behinderte mit einer Kapazität von 60 Plätzen in Betrieb genommen.
Die Fachdienste des Sozial- und Jugendamtes wissen, dass es großer Anstrengung, Engagement und Fantasie aller an der Mitarbeit Beteiligten bedarf, um gerade psychisch kranken Menschen ihre Arbeitschance zu geben. Diese Aufgabe bedarf der Zusammenarbeit aller freien und öffentlichen Kräfte. Es sind alle grundsätzlich durchführbaren Möglichkeiten einer gezielten Hilfe ohne "Ärger" diskussionswert.
Prof. Dr. Hans-Peter Mehl, Freiburg

 berichtet am 30. März 1985

Freiburger Zeitung / Leserbriefe

"Psychisch Kranke"

Hoffnungen ohne Erf?llung

Eine Leserin stellt die Einzelfallhilfe der Stadt für psychisch kranke Menschen in einen größeren Zusammenhang.
Wenn Herr Prof. Dr. Mehl hervorhebt, dass 73 psychisch Kranken ein befristetes Arbeitsverhältnis durch das Sozialamt der Stadt Freiburg ermöglicht wurde, so mag das in vielen Fällen tatsächlich eine - vorübergehende - Hilfe gewesen sein. Da diese Arbeitsverhältnisse immer auf die fünf Monate befristet sind, werden die Betroffenen anschließend ans Arbeitsamt "weitergereicht", da nun ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe besteht: Die Stadt Freiburg braucht nicht mehr zu zahlen.
Dass zeitlich begrenzte Rehabilitationsmaßnahmen angesichts der Dauerarbeitslosigkeit in Bezug auf psychisch Kranke nur wenig helfen, sondern sogar schädlich sein können, dafür gibt es genügend Beispiele: Bei vielen Betroffenen werden - ungewollt - Hoffnungen geweckt, die dann nicht mehr eingehalten werden können, so dass sie anschließend in ein "Loch" fallen. Therapeutisch/pädagogisch sind sie dann nicht mehr aufzufangen: Stationäre klinische Behandlung wird unvermeidbar.
Diese Probleme sind allerdings nicht im Rahmen der Einzelfallhilfe lösbar - nur im größeren Rahmen der Sozialplanung der Stadt Freiburg.
Ida Schulte, Freiburg