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Chronik


N. Klein-Alstedde

                                                        Einige Gedanken

                                 zum 25 jährigen Jubiläum des REHA-Vereins,

                              
          vorgetragen am 25.06.2004 in der Kirche des Zentrums für Psychiatrie in Emmendingen
 
Als ich vor einiger Zeit von Ihnen gebeten wurde, im Jubiläums-Gottesdienst, der auf Initiative von Ihnen, den Bewohnern und Tagesstätten-Besuchern sowie Werkstattmitarbeitern des REHA-Vereins selbständig gestaltet wird, einige Worte zum 25 jährigen Jubiläum des REHA-Vereins zu sagen,
habe ich zunächst einmal gezögert.

Denn der REHA-Verein ist ja ganz bewusst als weltanschaulich neutrale Organisation gegründet worden, um von Anfang an auch ein Zeichen weltanschaulicher und damit auch religiöser Neutralität und Toleranz zu setzen.

Doch dann fiel mir ein Gedanke ein, den der Schriftsteller Heinrich Böll anlässlich seiner Rede bei der Verleihung des Literaturnobelpreises in Bezug auf die geschichtliche Bedeutung der Religionen zum Ausdruck gebracht hat.
Er sagte damals sinngemäß:
" Die große geschichtliche Leistung der Religionen besteht darin, dass sie Bilder geschaffen haben, die den Menschen Sinn und Orientierung geben können. "

                    " ...Bilder..., die den Menschen Sinn und Orientierung geben können..."

Bei diesem Gedanken erinnerte ich mich daran, dass eine wesentliche, wenn nicht

die geschichtliche Leistung der jüdischen Religion darin besteht, die jährlichen Feste, wie sie in jeder Religion damals gefeiert wurden, aus dem ewig gleichen Naturkreislauf gelöst und an geschichtliche Ereignisse  gebunden zu haben.

Erst dadurch wurde das Feiern von Jubiläen als Erinnerung bzw. die ritualisierte Wiederholung von einmaligen geschichtlichen Ereignissen als Jubiläum überhaupt möglich bzw. sinnvoll.

Wurden bei den  " Naturvölkern "  und auch noch in der Antike die religiösen Feste, die immer auch Volksfeste waren, noch in Abhängigkeit vom jährlichen Naturkreislauf gefeiert ( z.B. das Frühlingsfest als Feier der Aussaat, das Herbstfest als Feier der Ernte ), so hat das jüdische Volk diese Feste uminterpretiert und sie zur Erinnerung an geschichtliche Ereignisse seiner eigenen Vergangenheit genutzt.

So wurde z.B. aus dem Frühlingsfest das Passahfest, als das Fest der Erinnerung

                 - an den Auszug aus Ägypten, dem Land der Unfreiheit
                 - an die langjährige Wüstenwanderung und
                 - an die " Volkswerdung " d.h. an das

                                     " Zu - sich - selber - Kommen " in der Wüste.

Die Frühlingsfeiern und die entsprechenden Jubiläen dienten dann ausschließlich dieser Erinnerung und

die Feier dieser Erinnerung an den Ursprung der " Volkswerdung in der Wüste " diente der Orientierung für die Zukunft.



Was hat das nun mit dem REHA - Verein zu tun?


Nun, das Feiern des 25 jährigen Jubiläums des REHA-Vereins kann ebenfalls der Erinnerung an den Anfang dienen, der

Erinnerung daran, " wie das Alles entstanden ist ".

Und am Anfang ( vor der Gründung ) war für uns, die Gründer des REHA-Vereins, eine Situation gegeben, die man als " gesättigt " hätte bezeichnen können:

Wir leisteten ( bei einem anderen Träger ) erfolgreiche Arbeit, die fachliche Anerkennung genoss, hatten gute Gehälter usw. und hätten eigentlich zufrieden sein können.
Aber wir arbeiteten in einer Organisation, die sehr fragwürdig war, die nicht unseren Überzeugungen und Wertmaßstäben entsprach.

Aus dieser Unzufriedenheit wuchs eines Tages der Entschluss:

Wir machen uns selbständig, wir gehen unseren eigenen Weg...!


Doch als wir diesen Entschluss vor 25 Jahren in die Tat umsetzten, machten wir schon bald
die Erfahrung: von fast allen Seiten jede Menge Gegenwind... und das Jahre lang.

Während dieser Zeit lag ich damals in der Lehranalyse innerhalb meiner psychotherapeutischen Fortbildung dreimal in der Woche auf der Couch (über weite Strecken eine " Wüstenwanderung ").

Ich erinnere mich noch gut an eine Szene:
Nachdem ich dem Psychoanalytiker wieder einmal ausführlichst meine chronischen Frustrationen über die mühselige Aufbauarbeit des REHA - Vereins dargelegt hatte, schloss ich mit dem Satz:

               " Wir haben die Fleischtöpfe Ägyptens verlassen und nun...überall nur Wüste."

Der Psychoanalytiker:
"Das ist ein Bild aus der Bibel. Sie vergessen dabei, dass damals diejenigen, die die Fleischtöpfe Ägyptens verlassen hatten, in der Wüste zu sich selbst gekommen sind ."

Nun,
auch dies ist Vergangenheit...

Doch wenn sich in Erinnerung an die Anfänge des REHA-Vereins nach 25 Jahren eines sagen lässt, dann ist es dieses:

Der Anfang glich einer mühsamen Wanderung durch die Wüste.
Doch wir sind unseren Weg gegangen...

Und
    - vielleicht ist dies die einzige Botschaft nach 25 Jahren,

    - vielleicht auch die einzige Zielsetzung der Arbeit des REHA-Vereins,

      die auch heute noch selbst der härtesten Ideologiekritik standhält,

    - vielleicht die einzige " Pädagogik - ", " Therapie - " bzw. " Reha " - Zielsetzung ,

die für alle gelten kann,
auch - oder gerade - für diejenigen, die ihr eigenes "Krank-Sein" mehr oder weniger oft als Wüste erleben:

Den eigenen Weg suchen und ihn gehen!


Und die Tatsache, dass sie, die Bewohner, die Tagesstätten-Besucher sowie Werkstattmitarbeiter
- zum 25 jährigen Jubiläum die Initiative für diesen Gottesdienst ergriffen haben,
- dass Sie die Idee hierzu hatten und
- dass sie diese Idee heute selbständig in Realität umsetzen, indem Sie die Gestaltung
  des Gottesdienstes übernommen haben, ist z. B.

ein Schritt auf genau diesem Weg:

Selbst die Initiative ergreifen und - möglichst zusammen mit Anderen -
Wirklichkeit gestalten!

  
    - Den eigenen Weg suchen
       - Den eigenen Weg gehen

und noch eines:

                                                Keine Angst vor Wüsten !

                            Man kann tatsächlich in ihnen zu sich selbst kommen.


N. K-A

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